Ihr ERP-System zeigt, was geschehen ist. Ein digitaler Zwilling zeigt, was als Nächstes passiert.

Traditionell betrachteten wir unser ERP-System als das ultimative Datenspeichersystem – eine detaillierte Chronik jeder Transaktion und jeder Warenbewegung. Es war die unbestrittene Quelle der Wahrheit über vergangene Ereignisse . In einer stabilen Welt reichte dieser Blick zurück aus, um sich zurechtzufinden. Doch in der heutigen Welt ständiger Umbrüche ist der Blick zurück keine tragfähige Strategie mehr, um voranzukommen.

Die entscheidende Frage hat sich verändert. Es geht nicht mehr nur um „Wie hoch waren unsere Umsätze im letzten Monat?“, sondern um „Welche Auswirkungen hat es auf unseren gesamten Produktionsplan, wenn sich die Lieferung unseres Hauptlieferanten um eine Woche verzögert?“

Ihr ERP-System allein kann diese Frage nicht beantworten: Ein digitaler Zwilling kann es.

Von reaktiven Daten zu einer proaktiven, virtuellen Welt

Ein digitaler Zwilling ist eine dynamische, virtuelle Nachbildung Ihrer Fabriken, Lager, Lieferanten, Logistikrouten und Ihres Lagerbestands. Er basiert auf Echtzeitdaten, die direkt aus Ihrem ERP-System fließen.

Die Verbindung herstellen: Von LN-Daten zu einem Live-Modell

Doch wie wird diese Live-Verbindung technisch realisiert? Das Infor-Cloud-Ökosystem bietet beispielsweise zwei primäre Methoden, um den digitalen Zwilling mit den benötigten Daten zu versorgen:

  • Der Infor Data Lake für die Massensynchronisierung: Infor LN veröffentlicht kontinuierlich Datenänderungen im Infor Data Lake. Die Digital-Twin-Plattform kann Daten lesen und dabei große Informationsmengen verarbeiten – von Artikelstammdaten und Stücklisten bis hin zu aktuellen Lagerbeständen und Produktionsaufträgen. Dies ist die Grundlage, die sicherstellt, dass das virtuelle Modell eine vollständige und präzise Nachbildung der physischen Welt ist.
  • ION-APIs für Echtzeitereignisse: Für kritische, zeitkritische Ereignisse nutzen wir Infor ION . Wird beispielsweise ein wichtiger Kundenauftrag bestätigt oder ein Produktionsauftrag abgeschlossen, kann in LN ein Geschäftsereignis ausgelöst werden. Dieses Ereignis wird über ION als BOD (Business Object Document) oder direkter API-Aufruf an den digitalen Zwilling gesendet, sodass das virtuelle Modell umgehend auf die wichtigsten Änderungen reagiert.

Durch den richtigen Einsatz von Tools wie Data Lake und ION können wir eine robuste Datenpipeline erstellen, die den digitalen Zwilling perfekt mit der Realität Ihrer Betriebsabläufe synchronisiert.

Betrachten Sie es einmal so:

  • Infor LN liefert den genauen und aktuellen Status jeder Komponente: aktuelle Lagerbestände, aktive Bestellungen, bestätigte Verkaufsaufträge und Produktionspläne.
  • Der digitale Zwilling nimmt diese Live-Daten und erstellt darauf aufbauend ein interaktives, operatives Modell.

Dadurch wird Ihr ERP-System von einem passiven Archiv historischer Fakten zum Treibstoff für einen proaktiven, strategischen Motor.

Die Macht des „Was wäre wenn“: Der ultimative strategische Vorteil

Sobald Ihre virtuelle Lieferkette Ihre physische widerspiegelt, können Sie die Zukunft simulieren. Sie können Ihre Abläufe potenziellen Störungen unterziehen, ohne reale Risiken einzugehen. Das ist die Stärke der Szenarioplanung .

Betrachten wir diese häufigen Herausforderungen in der Fertigung:

  • „Was passiert, wenn das Werk eines wichtigen Zulieferers für zwei Wochen stillsteht?“ Der digitale Zwilling simuliert sofort die Folgewirkungen: Welche Produktionslinien werden stillgelegt, welche Kundenaufträge verzögern sich und welche finanziellen Auswirkungen ergeben sich?
  • „Was passiert, wenn ein Seehafen überlastet ist und sich die Lieferzeit um 10 Tage verlängert?“ Das Modell kann alternative Routen identifizieren oder Vorschläge machen, welche Bestände umverteilt werden sollten, um die Auswirkungen abzumildern.
  • „Was passiert, wenn ein Großkunde seine Bestellung plötzlich verdoppelt?“ Sie können die Belastung Ihrer Produktionskapazität und Materialverfügbarkeit simulieren, um zu sehen, ob Sie die neue Nachfrage bedienen können, ohne bestehende Aufträge zu gefährden.

Ein Blick auf den Markt: Zwei Wege zum digitalen Zwilling

Der ERP-Markt greift diesen Trend mit einem zweigleisigen Ansatz auf. Zum einen integrieren große Anbieter „Digital-Twin“-ähnliche Funktionen in ihre Lösungen, wobei der Fokus primär auf der Schaffung übergeordneter Kontrollzentren für die Transparenz der Lieferkette liegt. Die Nexus-Plattform von Infor ist hierfür ein Paradebeispiel und ermöglicht Echtzeit-Transparenz und Zusammenarbeit in globalen Logistiknetzwerken.

Für hochpräzise, ​​detaillierte Simulationen – etwa zur Modellierung der exakten physikalischen Prozesse in einer Fabrikhalle oder des komplexen Verhaltens eines Logistiknetzwerks – ist die Integration des ERP-Systems mit spezialisierten Simulationsplattformen wie AnyLogic . Diese Plattformen ermöglichen die Durchführung komplexester Was-wäre-wenn-Szenarien.

Die Stärke des Infor-Ökosystems liegt in seiner Fähigkeit, beide Ansätze zu unterstützen. Durch die Bereitstellung offener und robuster Konnektivität über die Data Lake- und ION-APIs dient es als ideale Datengrundlage und ermöglicht Unternehmen, entweder integrierte Visualisierungstools zu nutzen oder sich nahtlos mit den leistungsstärksten und besten Simulations-Engines auf dem Markt zu verbinden.

Auf dem Weg zur Zukunftssicherung

Dies markiert einen grundlegenden Wandel in der Art und Weise, wie wir unsere Lieferketten managen.

  • Die alte Methode (nur ERP): Man entdeckt einen kritischen Komponentenmangel erst, wenn die Produktion stillsteht. Die Reaktion ist reaktiv: Lieferungen werden beschleunigt, Zuschläge gezahlt und es wird versucht, den Schaden so gering wie möglich zu halten.
  • Die Zukunftsvision (ERP + Digitaler Zwilling): Sie werden aufgrund von Lieferverzögerungen frühzeitig über mögliche Engpässe informiert. Ihre Reaktion ist proaktiv: Sie simulieren verschiedene Lösungsansätze, passen den Produktionsplan an, verteilen Ressourcen neu und treffen strategische Entscheidungen aus einer Position der Kontrolle heraus.

Das ERP-System bleibt Ihre zentrale Datenquelle. Indem Sie diese Daten jedoch in einen digitalen Zwilling einspeisen, erfassen Sie nicht länger nur die Vergangenheit. Sie schaffen ein wirklich widerstandsfähiges Unternehmen, das nicht nur Krisen übersteht, sondern sie antizipiert und erfolgreich bewältigt.

 

Verfasst von Andrea Guaccio

8. Oktober 2025